Erbsünde ist ist die kulturelle Oberfläche der Angst vor ungutem Erbgut. (= Biologismus)
Und die gesellschaftliche Sippenhaft, z.b. für die Kriege der vorhergehenden Generationen.
»Religion ist die Fortsetzung der Biologie mit den Mitteln der Kultur.«
Hilperts Glaube an das Alphabet verhalf ihm zu der Erkenntnis, dass auf die Erbsünde die Erbswurst folgt. An diesem Punkte wollen wir verharren und uns die Konsequenz nicht nehmen lassen. Die Konsequenz ist das Erbteil. Bei Hilpert eine leicht geneigte Wiese mit Obstbäumen, eine Einödvilla im Oberpfälzer Wald und das sechzigteilige Zinkbesteck aus einem adligen Zweig. Aber wir? Ich und meine Kinder erben nichts, wir waren schon bei der Erbswurst benachteiligt. Der Übergang zu Esaus Linsen ist auch irrig, weil er aus der Sache kommt. Wir haben uns alle, Hilpert, meine Familie und ich für das Alphabet entschieden. Da sind die Zusammenhänge eindeutig und nachweisbar ohne alles Irrationale.
Oft sprechen wir abends freudig erregt über unseren Glauben. Erdmuthe ist zuständig für A bis Differenz, ich für Differenzgeschäfte bis Hautflügler, Robinson für Hautfunktionsöl bis Mitterwurzer, Alma für Mittewald bis Rinteln. Für den Rest fehlen uns mindestens zwei, wir hoffen auf Enkel.
(Günter Eich, 1968)