Der missbrauchte Albert Einstein
In esoterischen Kreisen wird immer wieder von dem ach so religiösen, gottgläubigen Juden Albert Einstein gesprochen.
Tatsächlich ist dies ein Zusammentreffen aus
- schlampiger oder nicht vorhandene Recherche, unbelegtes Zitieren erfundener Sprüche (Hörensagen) von Prominenten (sog. Namedropping)
- falsches oder gar kein Verständnis des Missfallens von Albert Einstein an der nicht-deterministischen Quantenphysik und dem
- Kategorienfehler des falschen Gebrauchs eines physikalischen Modells beschränkter Gültigkeit auf menschlich-gesellschaftliche Vorgänge für die es nicht zutrifft.
Dazu der übliche Fehler dass die meisten Menschen nicht zwischen »Theismus« und »Deismus« unterscheiden können — selbstverschuldeter Bildungsmangel im Jahr 2013. Die meisten sog. »Gläubigen« wissen sowieso nicht, was sie da eigentlich glauben und vor allem: Was sie da eigentlich lt. ihrem Führer … ähem Bock … ähem Hirten von der Kanzel so glauben müssten. Nicht mein Problem.
Also wieder mal so richtiger Bullshit.
1. Albert Einstein und die Religion
Mit »dem Einstein« ist der gemeint, dem am 9. November 1922 der Nobelpreis für Physik des Jahres 1921 für die Erklärung des photoelektrischen Effekts aus seiner Veröffentlichung von 1905 verliehen wurde.
Bereits 1929 schreibt Einstein an einen Rabbi in New York, dass er an einen Gott glaubt, der sich in der »gesetzlichen Harmonie des Seienden offenbart, nicht an einen Gott, der sich mit dem Schicksal und den Handlungen der Menschen abgibt«.
In einem Brief vom 3. Januar 1954 an den jüdischen Religionsphilosophen Erich Gutkind gibt Albert Einstein seine nicht-theistische Weltsicht eindeutig kund und zu wissen. In diesem Sinne ist er ein Pantheist in der Nachfolge Giordano Brunos, der dafür 1600 von der katholischen Inquisition verbrannt wurde.
»Es war natürlich eine Lüge, was Sie über meine religiösen Überzeugungen gelesen haben, eine Lüge, die systematisch wiederholt wird. Ich glaube nicht an einen persönlichen Gott und ich habe dies niemals geleugnet, sondern habe es deutlich ausgesprochen. Falls es in mir etwas gibt, das man religiös nennen könnte, so ist es eine unbegrenzete Bewunderung der Struktur der Welt, so weit sie unsere Wissenschaft enthüllen kann.«
http://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Einstein#Einstellung_zur_Religion
Richard Dawkins geht im 1. Kapitel seines Buches »Der Gotteswahn« ausführlich darauf ein und zieht auch die unpersönlichen deistischen Götterbilder diverser Personen der intellektuellen Menschheitsgeschichte aus dem Hut.
http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Gotteswahn#Kap._1:_Ein_tief_religi.C3.B6ser_Ungl.C3.A4ubiger
Alles in Allem, glaubte Albert Einstein an keinen persönlichen Gott, dem man in Liedern huldigen, mit Gebeten zu Kreuze kriechen und mit Feuer und Schwert verbreiten muss.
»Wenn Menschen nur gut sind, weil sie Strafe fürchten und auf eine Belohnung hoffen, sind wir in der Tat ein trauriger Haufen.«
2. Die ursprüngliche Ablehnung der Quantenphysik durch Albert Einstein
Wahrscheinlich geht die Falschaussage Albert Einstein als supergläubigen Juden darzustellen auf sein imaginäres Zitat »der Alte würfelt nicht« zurück. Die Quelle findet sich in einem Brief an Max Born vom 4. Dezember 1926 in den Worten: »Die Theorie [der Quantenmechanik] liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns doch nicht näher. Jedenfalls bin ich überzeugt davon, dass der nicht würfelt.«
Darin drückt sich das Missfallen Einsteins an der nicht-deterministischen Quantenphysik aus, bei der Teilchenverhalten nur als Verhaltenswahrscheinlichkeit angegeben werden kann und der Zugriff auf ein einzelnes Teilchen praktisch nicht möglich ist. Nur in der Gesamtheit der Masse entstehen die makroskopischen Effekte, die wir als Neutronen, Protonen, Atome und schließlich Moleküle detektieren und nutzen können.
Bohr antwortete ihm übrigens, dass er seinem Gott nicht vorschreiben sollte, wie der die Welt gestaltet.
http://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Einstein#Die_Konfrontation_mit_Niels_Bohr
http://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Einstein#Quantenphysik
3. Die falsch verstandene Relativitätstheorie
Albert Einstein ging in seiner Invarianztheorie von der Messung aus, die belegt, dass es keinen Äther gibt und die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum immer konstant ist.
http://de.wikipedia.org/wiki/Michelson-Morley-Experiment
Daraus entstand die heute belegte Deformation des Raumes und der Zeit – vielleicht aus den Bildern in seinem Kopf, die er auf der Fahrt mit der Tram zu seinem damaligen Arbeitsplatz beim Patentamt hatte. Auch ist es möglich, dass seine damalige Lebensabschnittspartnerin – ebenfalls Physikerin und Mathematikerin – ihm bei der Übersetzung in die Sprache der Mathematik geholfen hatte und so diese dem Rest der akademischen Welt zur Verfügung gestellt werden konnten (die Bilder in seinem Kopf).
http://de.wikipedia.org/wiki/Mileva_Marić
Damit begründete Einstein das moderne Verständnis unseres Universums mit einer intrinsischen 4-dimensionalen Raumzeit und der Verquickung mit der Masse. So revolutionär das war und so unschön dies nachher als Relativitätstheorie zu weiterem Bullshit »Alles ist relativ« falsch von Esoterikern verinterpretiert wurde – es ist aber sauber deterministisch. Die Quantenphysik ist es nicht – zumindest nicht bis dato.
Was die Esoteriker hier machen, ist im Werkzeugkasten der Philosophie ein sog. Kategorienfehler: Sie übertragen eine Aussage aus der Welt der Physik auf Vorgänge des menschlichen Alltags.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorienfehler
Und plötzlich ist alles relativ – der Nährboden für Kulturrelativismus und ethische Beliebigkeit.
TBD: Kategorienfehler 500 Grundgene aller Lebewesen auf der Erde, 500 Assembler-Kommandos erfo. für C.
Geben wir Albert Einstein selbst das Wort: »Das Wort Gott ist für mich nichts als Ausdruck und Produkt menschlicher Schwächen, die Bibel eine Sammlung ehrwürdiger aber reichlich primitiver Legenden. Keine noch so feinsinnige Auslegung kann (für mich) etwas daran ändern. … Für mich ist die unverfälschte jüdische Religion wie alle anderen Religionen eine Inkarnation des primitiven Aberglaubens.«
Nachspann
In dem Zusammenhang wird dann gerne – ohne jegliche Quellennennung – von »bedeutenden Wissenschaftlern« gefaselt, die im hohen Alter (in der geistigen Verwirrung) dann plötzlich ultra-religiös wurden. Nun ja, es soll da auch mal einen alten Mann gegeben haben, der in der sengenden Hitze, mit viel zu wenig zum Trinken auf einen Berg ging, einen brennenden Dornbusch sprechen gehört hat und …
=> Siehe auch: http://hpd.de/node/4584
Zum vorläufigen Schluss erlaube ich mir ein paar andere Phyiker zu zitieren.
Steven Weinberg (Physiknobelpreis 1979)
»Ich denke, dass ein enormer Schaden von der Religion angerichtet wurde – nicht nur im Namen der Religion, sondern tatsächlich von der Religion.« (The Atheism Tapes)
»Religion ist eine Beleidigung der Menschenwürde. Mit oder ohne sie würden gute Menschen Gutes tun und böse Menschen Böses. Aber damit gute Menschen Böses tun, bedarf es der Religion.« (Weinberg in einer Rede auf der Konferenz „Cosmic Questions“ der American Association for the Advancement of Science (AAAS) im National Museum of Natural History in Washington, DC am 15. April 1999)
Richard Feynman (Physiknobelpreis 1965)
»Ich kann damit leben, etwas nicht zu wissen, aber ich will nicht an etwas glauben, dass möglicherweise falsch ist.«
Und was die krude Geschichte von dem abrahamitischen Berggott Jahwe angeht, der sich als Sohn unfähig durch geschlechtliche Zeugung materialisiert hat und sich dann selbst vernichten ließ um uns vor sich selbst zu retten. Nun lassen wir einen weiteren Physiker zu Wort kommen:
http://katholiban.de/the-stars-died-for-us/
http://de.wikipedia.org/wiki/Lawrence_Krauss
Fazit: Der Promi-Schachzug (sog. Name-Dropping) geht nach hinten los.
Gedanken Albert Einsteins zu Religion und Wissenschaft: https://www.seniorbook.de/themen/kategorie/philosophie-und-religion/artikel/8838/gedanken-albert-einsteins-zu-religion-und-wissenschaft
Einsam mit Einstein: http://www.spektrum.de/artikel/772844
Warum manche glauben Einstein zu sein: http://www.final-frontier.ch/Kleiner_Einstein