Exegese

die-leere-nach-einem-guten-buch»Exegese« ist die Textauslegung oder willkürliche Hinein-Interpretation, insbesondere in sogenannte »heilige Texte«.

Dabei finden Menschen, das, was sie gerade tun möchten in diesen Texten immer bestätigt. Natürlich könnten sie einfach so die Feinde ihrer Weltanschauung töten, aber mit so einem heiligen Text an der Seite fühlt man sich nicht schuldig. Das ist sehr sehr vorteilhaft, wenn man ein ganzes Volk auslöschen muss, wie es in dem mir bekannten (un)heiligen Text mehrfach und unkommentiert dargestellt ist.

Bemerkenswerteweise haben sogenannte »heilige Texte« weitestgehend schwammigen, seltsamen und gelegentlich schwachsinnigen Inhalt – falls überhaupt ein Inhalt vorhanden ist. Solch grammatisch korrekte, inhaltlich unsinnige Sätze fließend sprechen zu können, entspricht einem psychiatrischen Problem.

Ganz ehrlich: Wenn ich Texte in einem Buch interpretieren muss, um damit etwas anzufangen, dann ist das Buch entweder ein Roman (mit entsprechend geringem Realitätsbezug) oder ein sehr schlechtes Sachbuch (wegwerfen).

http://de.wikipedia.org/wiki/Exegese

Fazit: Exegese von heiligen Schriften ist praktizierter intrareligiöser Kulturrelativismus.


Beispiele für Exegese aus der Praxis

Ein Wunder ist geschehen!

Beim Aufräumen wollte ich gerade das Handbuch eines, schon lange nicht mehr genutzten, Videorecorders endsorgen. Da ich gerade Pause machen wollte, begann ich dieses Büchlein zu lesen und den Text zu exegieren. So fand ich zwischen denen vor Dienstbereitschaft strotzenden Zeilen das kommunistische Manifest in seiner christlichen Urform. Heil Marx! Heil Engels!

Beim Kapitel über den Wechsel der Batterie der Fernsteuerung fand ich die Erklärung, warum die bücherlesende Nachbarin jetzt sterben muss, denn Frauen, die Bücher lesen sind Hexen. Und Hexen darf man nicht leben lassen.

Morgen wird sie sterben und der Himmel wird jubeln.


Übungstexte (Schwierigkeitsgrad: Einsteiger)

…und erspähten sie zweimal die Kamele vor der dritten Stunde. Und so zogen die Mideoniter weiter nach Ram-Gilead und Kadesh-Gilgamas über Sor, Esra, Regalion zum Hause des Gashbil Betheuel Batsda, der die Butterschale zu Balthasar brachte und den Zeltstock zum Hause des Raschamon und dort töteten sie die Ziegen fürwahr und warfen das Fleisch in kleine Töpfe.

Also bevor ich mit dem Unterricht beginne, bitte ich die unter euch, die heute nachmittag an dem Spiel teilnehmen, ihre Kleider nach dem Mittagessen unverzüglich auf den unteren Haken zu hängen, bevor ihr eure Briefe nach Hause schreibt, falls ihr nicht die Haare geschnitten bekommt. Außer ihr habt einen jüngeren Bruder, der zum Wochenende als Gast eines anderen Jungen ausgeht, welchenfalls ihr eure Notiz abholt. Ihr steckt sie in euren Brief nachdem ihr die Haare geschnitten bekommen habt und sorgt dafür, dass er für euch die Kleidung auf den unteren Haken hängt.

Kommentare

  1. »Theologen lesen ihre ›heiligen Schriften‹ nun einmal nicht als Sachbuchtexte, aus denen man eindeutige Aussagen ableiten könnte, sondern viel eher als expressionistische Gedichte, die erst in der Interpretation des Betrachters Sinn ergeben.«

    »Die Grenzen der Toleranz« von Michael Schmidt-Salomon

  2. Warum interpretieren Atheisten die Bibel eher wie Fundamentalisten?

    Es gibt zur Interpretation zwei Meinungen: Die der wissenschaftlich arbeitenden Philologen und die der Theologen.

    Das Wichtigste an der Textinterpretation ist die „Intention des Autors“. Was hat der Autor den Lesern seiner Zeit mitteilen wollen?

    Die Antwort ist eindeutig: Wenn da steht „Eine Zauberin sollst Du nicht am Leben lassen“, dann ist das auch so gemeint. Wenn man bedenkt, in welchem Kulturkreis welcher Autor das gegenüber welchen Leuten gemeint hat, dann ist da nichts symbolisch zu verstehen.

    Die Theologen betreiben Exegese: Die Kunst, in einen Text hineinzulesen, was man meint, was da stehen sollte – unabhängig davon, was da steht, und unabhängig davon, wie der Autor das gemeint hat.

    Ich ziehe die Philologie der Theologie eindeutig vor. Und jeder, der wirklich sich mit Textverständnis beschäftigt, tut das auch. Wie Franz Buggle mal sagte: „Wenn ein Philogogiestudent sich dieselben Freiheiten bei einem Text herausnehmen würde wie ein Theologe, würde man ihn aus dem Proseminar werfen“.

    Natürlich ist Christen die Bibel so peinlich, dass sie lieber Exegese betreiben, als zu versuchen, den Text zu verstehen. Abgesehen davon, dass die meisten Christen die Bibel sowieso nie wirklich gelesen haben, die meisten kennen nur die positiven Stellen aus den Messen.

    Ich meine, in der Bibel steht soviel Mist, soviel Aufrufe zur Gewalt, soviel Unsinn, soviel moralisch Fragwürdiges bis Verachtenswertes – dass man gut verstehen kann, dass die Verteidiger lieber ein anderes Buch gelesen hätten. Und so machen sie ein anderes Buch daraus, das mehr in ihrem Sinne ist. Denn sonst müsste man sich ja eingestehen, dass es sich nicht um göttliche Offenbarung handeln kann, und die ganze Religion auf Sand gebaut ist.

    Text von Volker Dittmar

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